Die fremden Götter

Die fremden Götter

Albert M. Debrunner (Hrsg.)
248 Seiten


Band 4 der Reihe «unbegrenzt haltbar»

Halbleinen, Lesebändchen

ISBN 978-3-03850-045-2

CHF 32.00
EUR 32.00

Bestellen

09_Nachlass_Hermann_Kesten,_Münchner_Stadtbibliothek._Monacensia._Literaturarchiv_Hermann_Kesten_in_New_York_1944.jpeg

In seinem Roman, 1948 in New York entstanden und ein Jahr später beim Exilverlag Querido in Amsterdam erschienen, setzt Kesten sich intensiv mit religiösem Fanatismus auseinander. 
Nizza, nach Ende des Krieges: Walter Schott und seine Frau haben wie durch ein Wunder die KZ-Haft überlebt und sind heimgekehrt an den Ort, wo sie vor der Deportation ihre Tochter Luise zurücklassen mussten. Sie finden ihr Kind unverhofft wieder – französische Nachbarn hatten das Mädchen in einem Kloster in Avignon versteckt. Luise, von Nonnen fromm erzogen und inzwischen 17 Jahre alt, bekennt sich allerdings inbrünstig zum katholischen Glauben. Die Eltern, die durch ihre wundersame Rettung zu strenggläubigen Juden geworden sind, versuchen Luise zur ererbten Religion zurück zu führen. Die Tochter widersetzt sich jedoch der Autorität des Vaters, der zu immer drakonischeren Zwangsmaßnahmen greift. Auch der junge Sohn des Rabbi, der Luise auf den rechten Pfad zurückbringen soll, vermag nichts auszurichten. Vielmehr verliebt er sich in das schöne Mädchen und vergisst darüber seinen Bekehrungsauftrag. Luise hat an ihm jedoch kein Interesse – denn auch sie ist verliebt: in einen Fotografen, der sich indes zum Atheismus bekennt. Hilfe verspricht sie sich von einem unkonventionellen Onkel, der sich einem epikuräischen Buddhismus verschrieben hat.
Spannungs- und temporeich erzählt Kesten, wie die Personen in einen Circulus vitiosus der gegenseitigen Verkennung geraten. Mehr und mehr verlieren sie sich im Labyrinth von Dogmen und abstrakten Grundsätzen. Im unbeirrten Glauben, das Gute und Richtige zu kennen, wer­den sie blind gegenüber den Folgen ihres Handelns und führen das Gegenteil dessen herbei, was sie beabsichtigen. Kesten erzählt die Geschehnisse als eine tragikomische Farce, in der Freiheit und Toleranz einen schweren Stand haben. Wenn man die aufge­steckten Etikettchen der religiösen Richtungen mit anderen Namen versieht, erscheint der Roman heute aktueller denn je.

Dem Band sind Dokumente aus Hermann Kestens Korrespondenz mit dem deutschen Filmemacher Gerhard Born mitgegeben: geplant war eine Verfilmung des Romans. In einem Brief an Kesten im Jahre 1951 resümiert der Filmemacher: "Ich glaube, es wird das erste Mal im deutschen Film sein, dass neben der Tragik oder dem Ernst so nah die Komik steht - übrigens wie es im Leben ja auch ist." Zur Verfilmung kam es damals jedoch nicht, da man dem deutschen Publikum einen Stoff, in welchem - wenn auch nur am Rande - ein KZ vorkam, nicht zumuten wollte.