Newsletter 7/2017
Liebe Leserinnen und Leser,
der Sommer ist die schönste Zeit, auf Reisen zu gehen: auf kurze oder lange, auf Reisen in die Ferne oder in die Nähe, auf Reisen in eine andere Zeit oder in einen fremden Kopf – ohne Gepäck und Passkontrolle, ohne Ärger über verspätete Züge und Flüge. Die Tickets dafür sind ziemlich günstig: Es sind Bücher.
Und was hinzu kommt: Sie können sich lesend nicht nur in andere Welten, Ereignisse und Personen versetzen, sondern Sie können Bücher auch als veritable Reiseführer verwenden und mit ihnen vor Ort den Stoffen nachgehen, die in ihnen erzählt werden. Wohin es Sie diesen Sommer auch immer ziehen mag: Mit unseren literarischen Reiseempfehlungen werden Sie mehr von ihrem Reiseziel haben.
Wenn Sie zum Beispiel in der Schweiz mental oder real unterwegs sein wollen, empfiehlt sich Hugo Balls humoristischer Roman «Flametti» als Einstieg für das eher humorlose Zürich. Eine solch originelle Wegleitung werden Sie in keinem konventionellen Reiseführer finden. In «Flametti» wird die Halbwelt der Cabarets und des Tingeltangels so liebevoll und witzig beschrieben, dass Sie sich gewiss sogleich auf die Suche nach dem immer noch bestehenden Restaurant «Krokodil» in der Langstrasse begeben werden. Und wenn Sie’s gefunden haben, können Sie sich dort Franz Kafkas alten «Wunsch, Indiander zu werden», träumend erfüllen.
Da Sie das übrige Zürich womöglich schon kennen, raten wir Ihnen, Ihren helvetischen Horizont durch eine Reise nach Biel/Bienne zu erweitern. Die Stadt ist nicht nur zweisprachig und das Zentrum der Schweizer Uhrenindustrie, sondern auch ein sehr lebendiges Sammelbecken aller künstlerischen Kreativberufe oder solcher, die es werden wollen. Vor allem aber ist Biel die Geburtsstadt von Robert Walser und seines Malerbruders Karl. An vielen Orten hat man das wunderbar charmante Biel von einst zwar leider sehr verschandelt, doch auf der interaktiven CD unserer Bieler Robert Walser-Box können Sie sehen, wie die Stadt ehedem aussah, und hören, was Walser dazu geschrieben hat. Vielleicht werden Sie dann auch verstehen, warum es irgendwie zum Esprit dieser Stadt gehört, dass die Gedenktafel zu Walsers Geburt am falschen Haus hängt. Dies ist eines der Geheimnisse von Biel, in das Sie nur durch unsere Walser-Box eingeweiht werden können.
Und wer in Biel mal kurzerhand nach Japan reisen will, ohne das Flugzeug zu besteigen, der kann auch das tun – und zwar im «Neuen Museum» an der Schüsspromenade; dort hängen die zauberhaften Bilder, die Karl Walser im Jahr 1908 auf seiner Japan-Reise gemalt hat. Auch dazu gibt’s für Sie bei NIMBUS das passende Buch – und erst noch zum Sonderpreis!
Einen der wenigen Schweizer Kollegen, die Robert Walser einst gelten liess, war Friedrich Glauser, der Autor des «Wachtmeister Studer». Auf dessen Lebensspuren sollten Sie mal ins Tessin fahren – genauer nach Ascona.
Glauser war 1919 aus der Psychiatrie dorthin geflohen und verliebte sich Hals über Kopf in eine gewisse Liso. Man möchte an ihrer Stelle gewesen sein, denn die Liebesbriefe, die er an sie schrieb, sind so hinreißend, wie man sie gewiss gern selber erhielte. Allerdings stürzte Glauser seine Angebetete dann in eine Reihe halsbrecherischer Abenteuer, so dass sich die Romanze unversehens in einen dramatischen Krimi verwandelte. Nichts für schwache Nerven und harte Herzen.
Zwei Jahre zuvor, im Sommer 1917, war Glauser übrigens schon einmal im Tessin gewesen: auf der Alp Brusada im Maggiatal – und zwar zusammen mit Hugo Ball und Emmy Hennings. Keiner kann heute mehr sagen, wo diese Alp genau lag. Wenn Ihnen gelingen sollte, sie ausfindig zu machen, würden Sie damit einen Platz in der Literaturgeschichte auf sicher haben. Fühlen Sie sich also angespornt! Was Sie sonst noch über Ball und Hennings wissen müssen, finden Sie in unseren kleinen Monographien über diese beiden wundersamen Dada-Gründer.
In Ascona sollten Sie natürlich auch noch auf den «Monte Veritá» steigen. Sie werden dort allerdings nur der halben Veritá teilhaftig werden, wenn Sie vorher – oder nachher – nicht die Erinnerungen von Suzanne Perrottet lesen: «Die Befreiung des Körpers».
Suzanne Perrottet stammte aus Genf, ging von dort mit Emile Jaques-Dalcroze nach Hellerau, um sich bald darauf in dessen größten Rivalen und Gegner zu verlieben: Rudolf von Laban. Mit ihm, dessen Frau und ihren drei Kindern zog sie 1913 auf den Monte Veritá, wo man munter eine menage à trois lebte und dem morgendlichen Sonnenaufgang nackt entgegentanzte. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die ganze Herrlichkeit aber leider schlagartig vorbei, und Zürich wurde zu Suzanne Perrottets neuer Heimat – womit Sie wieder am Ausgangspunkt Ihrer Schweizer Reise angelangt wären.
Einmal vorausgesetzt, Sie seien deutscher Lese- oder Reise-Tourist und Sie wollten nach den mannigfaltigen Schweizerlebnissen etwas Näheres über die Bedeutung der Mundart für die Beziehung zwischen Schweizern und Deutschen erfahren, so seien Ihnen die «Schweizer Wörter» von Christian Scholz dringlich ans Herz gelegt. Nach der Lektüre dieses kleinen hilfreichen Breviers werden Sie vieles, vieles besser verstehen...
Hugo Ball: Flametti oder vom Dandysmus der Armen. CHF 29.80 / EUR 28.–
Bieler Robert Walser-Box. Fünfteilige Dokumentation im Schuber. Sonderpreis CHF 45.– / EUR 39.80
Philipp Lüscher (Hrsg.): Karl Walser in Japan. eine Reise im Jahr 1908. Letzte Exemplare, Sonderpreis CHF 14,80 / EUR 12,95
Regina Bucher u.a. (Hrsg.): Emmy Ball-Hennings. Muse, Diseuse, Dichterin. CHF 16.80 / EUR 14.80
Regina Bucher u.a. (Hrsg.): Hugo Ball. Dichter, Denker, Dadaist. CHF 16.80 / EUR 14.80
Suzanne Perrottet, Giorgio Wolfensberger (Hrsg.): Die Befreiung des Körpers. Erinnerungen. CHF 36.– / EUR 32.80
Christian Scholz: Schweizer Wörter. CHF 19.80 / EUR 16.80
Sollten Sie hingegen Schweizer oder Schweizerin sein und das Verlangen verspüren, den Grosskanton im Norden etwas besser kennenzulernen, so kann eine unserer Neuerscheinungen Sie auf eine ungewöhnliche Reise mitnehmen: eine Wanderung vom westlichsten bis zum östlichsten Punkt der Republik. Unternommen hat diesen Fußmarsch «Quer durch» der Fotograf Dirk Gebhardt, und was ihm dabei alles begegnete, hat auch sein eigenes Deutschland-Bild wesentlich verändert und erweitert. Derzeit herrscht bekanntlich Wahlkampf in Deutschland, so dass man das Land vor lauter Schlagworten kaum mehr sieht. Das Buch von Dirk Gebhardt leistet hier grossartig Abhilfe, denn was es zeigt, liegt jenseits aller Klischees. Sie werden Deutschland hier auf neue Weise kennenlernen, versprochen!
Wenn einem Dirk Gebhardt vor allem das Auge für die deutsche «Provinz» öffnet, so kommt man bei all dem an Berlin dennoch nicht vorbei. Es ist eine Binsenweisheit, dass die deutsche Geschichte einen dort geradezu anspringt, wobei an politisch-moralischer Eindeutigkeit – nolens volens – meist kein Mangel herrscht. Es ist tatsächlich nicht einfach, eine Sicht auf Berlin zu gewinnen, in der nicht alles, was einem begegnet, schon von vornherein beurteilt ist. Diese Fähigkeit zur Unbefangenheit besaßen die Flaneure, und wir sind stolz, zwei von ihnen im Programm zu haben: einen aus der großen Epoche dieses Genres und einen herausragenden heutigen.
Ferdinand Hardekopf, seines Zeichens Reichsstenograph und Literaturdandy, durfte um die Jahrhundertwende als junger Mann für eine Provinzzeitung Feuilletons über die Reichshauptstadt schreiben – sogenannte «Berliner Briefe». Die damalige Freiheit ‹unter dem Strich› nutzte Hardekopf weidlich aus, ließ die peinliche Figur des Kaisers nonchalant beiseite und verfuhr auch mit der tonangebenden Schicht des Adels und des Militärs nach der Devise ‹nicht mal ignorieren›. Stattdessen schrieb er von den Revolutionen des modernen Theaters, von den Literatencafés und Variétés, vom bewegten Leben der Strassen und dem neuen Streben nach Eleganz und weltmännischer Lebensart. Man reibt sich die Augen, wenn man das liest – es kommt uns heutigen irgendwie bekannt vor.
In der Tradition des völlig offenen Stadterlebens steht auch Christoph Stölzl mit seinen zauberhaften Flanierstücken «Morgens um sechs bei Haubentaucher & Co.». Man ist darüber umso mehr erstaunt und entzückt, als Stölzl durch seine zahlreichen prominenten Ämter (Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums, Berliner Kultursenator, Präsident des Abgeordnetenhauses etc. etc.) eigentlich zu den Repräsentanten des offiziellen Berlin gehört. Doch eines Tages hatte er genug davon, setzte sich eine Tarnkappe auf und lief mehr als ein Jahr lang Tag für Tag inkognito durch Berlin, um Kolumnen für die «Morgenpost» zu schreiben: eine origineller und unerwarteter als die andere. Hinter jede Kulisse wirft Stölzl seinen Blick und das gern Übersehene umkreist er mit hellwachen Beobachtungen und Reflexionen. Fortan wird sich niemand mehr als Berlin-Kenner bezeichnen dürfen, der diese Texte nicht gelesen hat.
Eine von Stölzls Kolumnen führt auch in die Sensburger Allee zum Georg Kolbe-Museum. Es liegt ein bisschen abseits im Westen Berlins, sei aber umso mehr für einen Besuch empfohlen. Schon der moderne Bau vom Ende der 1920er Jahre ist sehenswert und die dortigen Ausstellungen erst recht. Die Kunst der Skulptur ist ein vernachlässigtes Thema in den meisten unserer Museen – doch hier werden einem dazu die Augen geöffnet. Im besonderen Mass gilt dies für die aktuelle Schau, die einen Querschnitt durch die Plastik zwischen der Jahrhundertwende und 1933 bietet. Gemeinsamer Nenner ist Alfred Flechtheim, der die gezeigten Werke und Künstler alle in seiner Galerie vertreten hat. Das Buch unter dem Titel «Sprung in den Raum», das zu diesem spannenden Thema bei NIMBUS erschien, ist leicht lesbare Einführung und umfassendes Kompendium zugleich. Kein Wunder: Es wurde von Ottfried Dascher herausgegeben, dessen vielgelobte Flechtheim-Biographie leider gerade vergriffen ist, im Herbst aber in die 3. Auflage gehen wird.
In Berlin sollten Sie auch in die Charlottenburger Niebuhrstrasse gehen, und sich dort das Haus Nr. 56 anschauen. Vermutlich werden Sie fragen: Wieso? Die Antwort dazu finden Sie in Albert M. Debrunners Biographie von Hermann Kesten «Zu Hause im 20. Jahrhundert». Vielleicht sagt Ihnen der Name dieses Autors noch etwas, vielleicht aber auch nicht. Kesten (1900-1996) ist eine Jahrhundertfigur mit einem beispiellos internationalen Lebenslauf. Geboren in der Ukraine, aufgewachsen in Nürnberg wurde er Ende der 1920er Jahre als Autor und Lektor des Berliner Kiepenheuer Verlags bekannt. 1933, als er in besagter Niebuhrstrasse 56 wohnte, musste er über Nacht vor den Nazis fliehen. Exil-Jahre in Paris, Sanary-sur-mer, Amsterdam und Ostende folgten. Im Mai 1940 kam Kesten gerade noch mit dem letzten Schiff von St. Nazaire nach Amerika weg. Er landete in New York, setzte sich unermüdlich für die Rettung von Emigranten ein, wurde Amerikaner, ging aber nach dem Krieg nach Rom. Kesten kannte alle, wurde PEN-Präsident, reiste um die halbe Welt, zog im Alter schliesslich nach Basel und verbrachte seine letzten Jahre in einem Altersheim in Riehen. Seine Romane sind spannend, sein Leben fast noch mehr. Im Ernst: Albert M. Debrunners Kesten-Biographie sollten Sie lesen.
Am Donnerstagabend, 17. August 2017, stellt Albert M. Debrunner sein Buch in der Deutschen Nationalbibliothek, Frankfurt am Main, vor. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung per Telefon +49 (0)69-15 25 19 16 oder E-Mail: exilarchiv-veranstaltungen (at) dnb.de wird jedoch gebeten.
Wir erwarten jetzt zwar nicht, dass Sie sogleich eine Schiffspassage über den grossen Teich buchen, um in der neuen Welt den Spuren Kestens nachzugehen, aber wenn Sie zufällig ohnehin nach New York fahren, so vergessen Sie nicht Debrunners Biographie mitzunehmen. Vielleicht interessiert Sie dort aber auch noch etwas anderes – zum Beispiel, wie eine junge französische Fotografin, die in Berlin lebt, New York sieht – aus der Optik einer Frau. Dann verraten wir Ihnen, dass wir noch ganz wenige Exemplare von Amélie Losiers Fotobuch «Just like a Woman. New York City Fotografien» auf Lager haben. Man mag vielleicht glauben, New York sei schon ganz und gar durchfotografiert, und bildlich Neues könne es über diese Stadt nicht mehr geben. Irrtum! Großer Irrtum! Im Übrigen wird im Oktober Amélie Losiers Buch «Sayeda» über Frauen in Ägypten bei NIMBUS erscheinen – und garantiert Aufsehen erregen. Dann dürfte auch das New York Buch binnen Kurzem vergriffen sein. Dies nur als Hinweis, dass Sie sich nicht beklagen, wir hätten Sie nicht früh genug gewarnt.
Wenn man heute an die USA denkt, so ist nicht ausgeschlossen, dass es einem aus politischen Gründen dabei mulmig wird. Warum nicht also aus Trumps Land ins weltoffene Trudeau-Land fahren? Unser Vorschlag wäre Ottawa, denn dort könnten Sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits diese aufstrebende kanadische Metropole kennenzulernen, und andererseits sich eine Reise nach Wuppertal zu ersparen. Wir haben zwar nichts gegen Wuppertal, aber Pina Bauschs Tanztheater in Ottawa zu sehen, ist vielleicht doch etwas prickelnder. Dort wird die legendäre Kompagnie im September Station machen und einige Darbietungen geben. Vielleicht tritt aber der Fall ein, dass Sie nach Ottawa nicht fahren können und nach Wuppertal nicht fahren wollen. Alles halb so schlimm – NIMBUS hat Trost parat und kann Sie mit drei aussergewöhnlichen Publikationen zu Pina Bausch versorgen, die Ihnen alles Reisen bequem abnehmen: «O-Ton Pina Bausch», die gesammelten Interviews der Choreographin (gegen deren gerichtliches Verbot wir uns noch immer tapfer zur Wehr setzen – warten Sie also nicht zu lange!), die einzigartigen Fotos von KH. W. Steckelings aus der Frühzeit des Tanztheaters («Pina Bausch – backstage») und Wilfried Krügers großzügiges Portfolio «Proben in der Lichtburg». Mit diesen drei Büchern sind Sie der quälenden Alternative Ottawa oder Wuppertal in jedem Fall elegant enthoben.
Dirk Gebhardt: Quer durch. Deutschland von West nach Ost. 288 S,, 191 Fotografien. ISBN 978-3-03850-034-6. CHF 32.– / EUR 29.80
Ferdinand Hardekopf: Berliner Briefe. Feuilletons 1899–1902. 224 S. ISBN 978-3-03850-015-5. CHF 29.80 / EUR 28.00
Christoph Stölzl: Morgens um sechs bei Haubentaucher & Co. Berliner Flanierstücke. 192 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 978-3-907142-44-8. CHF 28.80 / EUR 24.80
Ottfried Dascher: Sprung in den Raum. Skulpturen bei Alfred Flechtheim. Fadengebunden, Breitklappenbroschur. 440 S., 350 Abbildungen. ISBN 978-3-03850-023-0. CHF 32.– / EUR 29.80
Albert M. Debrunner: «Zu Hause im 20. Jahrhundert» Hermann Kesten. Biographie. 448 S., 50 Abb.. ISBN 978-3-03850-032-2. CHF 39.80 / EUR 36.–
Amélie Losier: Just like a Woman. New York City Fotografien. Broschur, Fadenheftung, 112 S., 68 Fotografien. ISBN 978-3-907142-39-4. CHF 34.00 / EUR 29.80
O-Ton Pina Bausch. Interviews und Reden, herausgegeben von Stefan Koldehoff und der Pina Bausch Foundation. Spezialeinband «Tanzboden», Fadenbindung, Lesebändchen, Banderole. 400 S., 11 Abb.. ISBN 978-3-03850-021-6. CHF 32.– / EUR 29.80
KH. W. Steckelings: Pina Bausch backstage. Herausgegeben von Stefan Koldehoff. Leinen mit Schutzumschlag. 184 S. ISBN 978-3-907142-99-8. CHF 44.– / EUR 39.80
Wilfried Krüger: Pina Bausch – Proben in der Lichtburg. Portfolio mit 34 Fotografien. 32 Seiten Grossformat. ISBN 978-3-03850-030-8. CHF 16.80 / EUR 14.80
Unsere Reise-Empfehlungen blieben alles in allem ärmlich und provinziell, wenn wir Ihnen nicht mindestens eine Veranlassung (oder einen Vorwand) gäben, nach Paris zu fahren.
«Ich schreibe aus Paris» heisst eines unserer schönsten und klügsten Bücher. Es stammt von Helen Hessel, die man – unberechtigterweise – meist nur als Vorbild für die Figur der Kate in François Truffauts Film «Jules et Jim» kennt (kleine Gedenkminute für Jeanne Moreau). Helen Hessels Texte kommen als Mode-Feuilletons daher, doch es spiegelt sich darin das gesamte unvergleichliche Savoir-Vivre der 1920er Jahre in der Stadt der Liebe. Die Mode – sie galt so oft als Inbegriff des Eitlen, Berechnenden, Falschen und Vergänglichen. Helen Hessel aber rehabilitiert sie als die wundervoll reiche Kultur, die so vieles umfasst: vom traditionsreichen Schneiderhandwerk bis zur hohen Kunst, von der Anstrengung der Form selbst in Zeiten wirtschaftlicher Not bis zum raffiniertesten Spiel des überbordenden Luxus, vom triumphalen Ausdruck der Erotik bis zu einer tiefen Philosophie der Weiblichkeit.
Lesen Sie diese Texte – am besten an der Seine.
Helen Hessel: Ich schreibe aus Paris. Über die Mode, das Leben und die Liebe.ISBN 978-3-03850-003-2. CHF 39.80 / EUR 36.00
Für uns NIMBUS-Mitarbeiter aber sind all diese Vorschläge leider nur ein schöner Traum. Denn Verlagsleute arbeiten zwar in einem wunderbaren Beruf – doch dieser hat einen Haken: Im Sommer gibt’s keine Ferien – es ist vielmehr die Zeit der größten Arbeitsbelastung: Die Bücher für die Frankfurter Buchmesse müssen abgeschlossen und in Druck gegeben werden. Immerhin genießt die kleine NIMBUS-Equipe ein großes Privileg: Rund um uns breitet sich der Garten der «Villa zum Abendstern» aus, des Schauplatzes von Robert Walsers Roman «Der Gehülfe». Alles blüht und grünt; es gibt Feigen und Zwetschgen frisch vom Baum; bald sind die Äpfel reif; unten liegt ausgebreitet der See und lädt zum Schwimmen ein. Ab und zu kommen Literaturtouristen vorbei – einzeln oder in Gruppen –, um das Haus zu sehen, das wieder ein Ort der Bücher und der Literatur geworden ist. Wenn auch Sie einmal vorbeischauen wollen, so lassen Sie es uns wissen. Mit ein bisschen Glück hat es vielleicht sogar noch Eis im Kühlschrank.